Ein Überblick zum Thema
Bei Hyperurikosurie und Hyperurikämie (= HUU) handelt es sich um eine von Geburt an auftretende genetisch bedingte Erkrankung (Stoffwechselstörung), welche auf eine Mutation im Gen SLC2A9 beruht. Hündinnen und Rüden können gleichermaßen betroffen sein.
Hunde, die an HUU leiden, scheiden Harnsäure anstatt Allantoin mit dem Urin aus (Hyperurikosurie). Außerdem ist der Gehalt an Harnsäure im Plasma um das 2- bis 4-fache höher als bei gesunden Hunden (Hyperurikämie). Da im Gegensatz zu Allantoin Harnsäure weniger gut wasserlöslich ist, führen die höheren Mengen im Harn zur Kristallbildung. Durch diesen Vorgang entstehen Harnsteine, die meist operativ entfernt werden müssen, da es zu häufigen Blasen- und Schleimhautentzündungen der Harnröhre, Blut im Urin oder gar zu Verengung/Verschluss der Harnwege führen kann. Weitere Symptome, die auftreten können: häufiges Wasserlassen in nur kleinen Mengen durch erschwerte Blasenentleerung, Entzündungen des Nierenbeckens und/oder Niereninsuffizienz. Erkrankte Hunde sollten lebenslang vorbeugend eine purinarme Diät erhalten, außerdem muss auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden.
HUU wird autosomal rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass es nur zum Ausbruch der Krankheit kommt, wenn zwei veränderte Genkopien aufeinander treffen. Es müssen demnach sowohl die mütterliche als auch väterliche Seite die genetische Veränderung vorweisen.
N / N = HUU-frei (clear) = genetisch normal (homozygot gesund)
Der Hund ist gesund. Er besitzt keine Anlagen für HUU und kann diese somit auch nicht an die Nachkommen weitergeben.
N / HUU = HUU-Anlageträger (carrier) = Träger (heterozygoter Träger)
Der Hund besitzt ein normales Gen sowie ein verändertes SLC2A-Gen. Der Hund ist gesund und kann nicht an HUU erkranken. Er ist ein klinisch gesunder Träger. Die Mutation wird er jedoch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an die Nachkommen weitergegeben, welche dann (sofern man die Verpaarungsempfehlungen beachtet) ebenfalls Träger - aber keine erkrankten Hunde - sind.
HUU / HUU = HUU-Merkmalsträger (affected) = betroffen (homozygot betroffen)
Der Hund besitzt zwei veränderte SLC2A9 Gene und hat ein extrem hohes Risiko, von der Erkrankung betroffen zu sein. Die Variation wird zu 100% an die Nachkommen weitergegeben. Die Nachkommen sind Träger oder Betroffene.
Heutzutage kann der Genotyp eines jeden Hundes schnell, einfach und relativ kostengünstig mittels Gentest bestimmt werden. Die DNA-Analyse ist unabhängig vom Alter des Tieres möglich und kann schon bei Welpen durchgeführt werden. Ebenso ist es verhältnismäßig einfach, die Zucht dahingehend zu steuern, dass kein Hund an HUU erkrankt. Es ist lediglich darauf zu achten, dass Träger nur mit freien Tieren verpaart werden.
HUU wird auch als Dalmatiner-Syndrom bezeichnet, da diese Erbkrankheit bei der Hunderasse Dalmatiner durch die gesamte Population homozygot nachgewiesen ist. Dies ist wahrscheinlich in der Vergangenheit durch die enge Kreuzung von Zuchthunden bezüglich der gewünschten Tüpfelung bei gleichzeitiger Unwissenheit über HUU (früher gab es keine Gentests) manifestiert worden. HUU ist jedoch eine Erbkrankheit, die bei allen Hunderassen auftreten kann.
Die Existenz von Trägern in einer gesunden Population erhöht die Variabilität des gesamten Genpools, weshalb sie nicht kategorisch von der Zucht ausgeschlossen werden sollten. Anlageträger können weder selbst erkranken, noch entstehen (unter Beachtung von Verpaarungen) durch sie kranke Tiere. Demnach gibt es auch gar keinen Grund, sie zuchtwertmäßig nicht zu berücksichtigen.
Auf der VGM-Mitgliederversammlung 2022 wurde beschlossen (mehrheitlich befürwortet durch 4 LG, 1 LG dagegen, 2 LG enthalten sich), dass HUU in der Zucht des VGM Berücksichtigung finden soll. Für Zuchthunde wird es zur Pflicht, auf HUU zu untersuchen. Die Kosten der Laboruntersuchung trägt der VGM. Ebenfalls wurde beschlossen, dass HUU-Anlageträger nur noch mit HUU-freien Hunden verpaart werden dürfen (gleiche Vorgehensweise wie bei HD und ED). Diese Regelung war unumgänglich, weil es durch das Tierschutzgesetz verboten ist, wissentlich kranke Hunde zu züchten. Siehe Tierschutzgesetz §11 b Abs. (1):
„(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten […] soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse […] erwarten lassen, dass als Folge der Zucht [...] bei den Nachkommen [...] die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.“
HUU-Merkmalsträger sind von der Zucht im VGM ausgeschlossen. Der Einsatz von Merkmalsträgern würde einen Anstieg von eingeschränkt nutzbarer Population zur Folge haben. Aufgrund der verschwindend geringen Quote an Merkmalsträgern unter den getesteten Großen Münsterländern, ist der VGM nicht auf deren Genpool angewiesen. Für einzelne Betroffene ist das in dem Moment unschön, für die Zucht generell ist der Schritt jedoch richtig und wichtig.
Anders als bei HD oder ED, wo die Vererbung multifaktoriell geschieht, kann man den autosomal rezessiven Erbgang von HUU einfach steuern. Deshalb ist es ganz wichtig zu verinnerlichen, dass HUU-Anlageträger keine kranken Hunde sind! Durch Unwissenheit und mangelnde Aufklärung besteht die Gefahr des Herabstufens von HUU-Anlageträgern. Doch Vorsicht: Die Existenz von Trägern in einer gesunden Population erhöht die Variabilität des gesamten Genpools, weshalb deren Verbleib in der Zucht zunächst der richtige Schritt ist. Da HUU-Anlageträger weder selbst erkranken (sie tragen lediglich die genetische Anlage in sich) noch deren Nachkommen betroffen sein können (unter Beachtung der Zuchtstrategie des VGM), gibt keinen vernünftigen Grund, sie kategorisch von der Zucht auszuschließen und zuchtwertmäßig nicht zu berücksichtigen.
Fest steht, dass wir im Moment mit relativ geringem Aufwand die Möglichkeit haben, regulierend eingreifen zu können. Für die Zucht anderer Rassen besteht nur noch die Option die Erbkrankheit per Fremdbluteinkreuzung heraus zu züchten. Dies stellt eine langwierige und erhebliche züchterische Anstrengung dar. Im VGM besteht glücklicherweise ein überwiegend gesunder Bestand an (Zucht)tieren. Die Beachtung von HUU stellt damit einen weiteren Baustein zu einer gesunden, leistungsstarken Zucht im VGM dar.
Mittels der in 2022 getroffenen Bestimmungen bei Verpaarungen kann im VGM bereits zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden, dass wir HUU-kranke Nachkommen hervorbringen. Damit sind wir Vorreiter im Jagdgebrauchshundewesen und können bereits jetzt werben, HUU-gesunde Hunde zu züchten.
Durch gezieltes, züchterisches Vorgehen besteht die Chance, HUU sogar gänzlich zu eliminieren und einen reinen Bestand von HUU-freien (homozygot gesunden) GM zu erreichen. Dies ist ein Ziel, welches der VGM auf lange Sicht verfolgt, jedoch nicht vorschnell abgeschlossen werden sollte (Stichwort Genpool). Ein kontinuierliches aber langsames Ausschleichen über mindestens ein Jahrzehnt ist hier sicherlich die beste Zuchtstrategie, damit der genetische Flaschenhals zukünftiger Generationen nicht zu eng wird.
(Angaben ohne Gewähr)
© Franziska Kühl 18.05.2023